Nach Abschluss der Landesligassaison haben sich Berichterstatter Volker Schmidt und der Trainer der 1. Mannschaft Markus Stanzel zu einem Interview getroffen, um Bilanz zu ziehen.
Eine lange Saison in der Landesliga ist zu Ende gegangen. Wie erschöpft sind Geist und Körper auch bei Dir?
Wie es aktuell bei den Spielern aussieht weiß ich nicht, aber sie werden die Pause sicherlich herbeigesehnt haben, was gegen Ende einer Saison immer der Fall ist und in unserer Situation besonders. Schließlich spielen wir, die zweite Spielzeit in Folge, an unserem Limit und standen Woche für Woche unter einem enormen Druck. Die Meistersaison war schon kräftezehrend, mental und physisch, aber mit der Landesligasaison nicht zu vergleichen, weil eine solide spielerische Leistung in 90% der Spiele für zwei Punkte reichte. Diese Saison mussten wir in erster Linie über andere Bereiche wie Kampf, Leidenschaft und Teamgeist Punkte einfahren und waren kognitiv somit stark gefordert. Insgesamt bin ich daher über den vorzeitigen Klassenerhalt sehr froh. Dadurch konnten wir die letzten Saisonspiele etwas entspannter angehen. Schließlich darf man nicht vergessen, dass bereits während der alten Saison die Planung für die neue Spielzeit ansteht und diese immer mit großem organisatorischen Aufwand verbunden ist. Erst Recht, wenn uns keine eigene Sporthalle zur Verfügung steht und wir auf das Landratsamt und die gute Kooperation mit der Gemeinde Goldbach und dem TV Laufach angewiesen sind. Für die Statistiker: In den Monaten Juni bis August finden in auswärtigen Trainingshallen knapp 60 Einheiten von zwei Zeitstunden statt, allein für die Vorbereitung der 1. Männermannschaft!
Die Saison ging mit den Niederlagen gegen die beiden Mitaufsteiger sehr unglücklich los, Mitte November wart ihr mit 2:16 Punkten tief im Keller. Hattest du da große Sorgen?
Selbstverständlich! Wir hatten und haben großen Respekt vor der Landesliga. Der Eindruck wurde in den ersten Spielen bestätigt. Niederlagen führen aber immer zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der gezeigten Leistung. Daher haben wir alles hinterfragt, neue Dinge ausprobiert und den Trainingsprozess verändert. Die Unterstützung durch Bruno Stenger, der nicht nur die Torhüter in eine exzellente Verfassung brachte, sondern auch mit vielen Gesprächen neue Ideen in mir weckte, war in dieser Zeit eine enorme Bereicherung.
Ab diesem Zeitpunkt ging es dann aber steil bergauf für den TVG. Kannst du diesen Trend im Nachhinein an etwas Speziellem festmachen – gab es eine Initialzündung?
Der noch immer unglaubliche Sieg in Pfungstadt, ohne den verhinderten Dennis Stenger, war für mich die Initialzündung. Die spektakuläre Aufholjagt zeigte, dass wir als Team ausweglose Situationen meistern können und damit stieg der Glaube an den Klassenerhalt. Der darauffolgende Derbysieg gegen Stockstadt machte die kleine Siegesserie perfekt. An drei Saisonsiege in Folge und den damit verbundenen Mannschaftsfilmabend, dachte vor der Saison wahrscheinlich niemand.
Die Mannschaft hat sich ja in jeder Hinsicht verbessert. Was hat Dir am meisten imponiert und was fehlt denn noch? Und: Bist du ob dieser Entwicklung überrascht?
Die Entwicklung ist aus der Ferne sicher besser zu beobachten. Als Aktiver im ständigen Trainingsprozess mit den Spielern ist man doch immer sehr in der aktuellen Situation und es bleibt keine Zeit zu reflektieren. Offensichtlich war jedoch, dass wir unsere Fehlerquote im Angriff erheblich reduzierten, was sich mit dem gewonnenen Selbstvertrauen und dem hohen Trainingsaufwand erklären lässt. Imponiert haben mir Aspekte des Angriffs- als auch des Abwehrspiels. Im Angriff haben wir uns ab November vermehrt auf unsere beiden Außenpositionen konzentriert. Unser Spiel ist dadurch wesentlich variabler geworden. Dadurch hat auch der Rückraum profitiert und die neugewonnen Lücken genutzt. Ich bin mir sicher, dass diese Umstellung der Schlüssel war. In erster Linie fehlt noch die individuelle Fähigkeit, Situationen auch einmal in der Kleingruppe lösen zu können und außerhalb des Systems Verantwortung zu übernehmen. Greift das System nicht, sind wir aktuell noch nicht in der Lage, Spiele zu gewinnen. Die Niederlagen gegen Fränkisch-Crumbach und Nieder-Roden haben das eindrucksvoll belegt. Demzufolge wird in der Vorbereitung in diesem Bereich der Hauptschwerpunkt liegen.
Ihr habt neben Meister Griesheim die zweitbeste Abwehr der Rückrunde. Wusstest du das eigentlich? Ist das die Basis für Erfolg in dieser Liga?
Bezüglich des Abwehrspiels kann ich nur sagen, dass es sicher nicht am Trainingsaufwand gelegen hat. Zwar besitzen wir selbstverständlich ein Abwehrkonzept und haben uns auch viel besser auf die gegnerischen Rückraumschützen eingestellt, dennoch liegt hier sicher nicht der Trainingsschwerpunkt. Dadurch wird aber auch deutlich, dass eine erfolgreiches Abwehrspiel immer auf Wille basiert. Hier haben wir ganz klar unseren Vorteil gegenüber anderen Mannschaften und müssen unsere handballerischen Defizite durch kämpferische Tugenden egalisieren. Dass das anscheinend so ist, war mir nicht bewusst und habe ich in den letzten Tagen erfahren. Auch der sehr gute Tabellenplatz der Rückrunde war mir während der Saison nicht präsent.
Vor der Saison hast Du gesagt, du bräuchtest noch den ein oder anderen Spieler, sonst würde es sehr schwierig werden. Jetzt hat es – bis auf Torhüter Sandro Friedrich – auch mit der Aufstiegsmannschaft gut funktioniert. Und zwar so gut, dass es mit Bürgel und Obernburg nur zwei Teams gab, gegen die ihr keine Punkte geholt habt...
Sandro war aber auch ein entscheidender Faktor. Mit seiner Leistungssteigerung spürte auch die Abwehr einen Rückhalt, der Selbstvertrauen schafft und Siege ermöglicht. Darüber hinaus ist grundsätzlich aber auch eine Steigerung auf der Torhüterposition zu erkennen. Marco und Danny haben sehr starke Leistungen gezeigt als wir sie brauchten. Daher ist es aus meiner Sicht nur schlüssig, dass wir diesen positiven Effekt auch auf der ein oder anderen Feldspielerposition gebrauchen können. Dass es zu keinem neuen Feldspieler kam und wir dennoch so gut abgeschnitten haben ist schön, aber eher der fehlenden Bereitschaft anderer Spieler geschuldet. Für die neue Saison wären wir daher erneut bereit, zwei oder drei neue Spieler zu integrieren.
Ein besonderes Plus in eurer Mannschaft sind die Ausgeglichenheit und der Teamgeist. Ihr seid von keinem einzelnen Spieler sehr abhängig. Siehst du das auch so?
Anfangs noch nicht, aber im Laufe der Saison eindeutig. Im ersten Drittel der Saison waren wir doch noch sehr von Dennis abhängig. Mit der Zeit haben sich dann aber andere Personen in den Vordergrund gespielt und die Last wurde auf vielen Schultern verteilt. Im Angriff hat S. Beißler eine ausgezeichnete Runde gespielt, die so wahrscheinlich keiner erwarten konnte. In der Abwehr war es gegen Ende der Saison A. Dittrich, der die Leistungssteigerung ermöglichte. Auch unsere jungen Spieler haben einen großen Schritt gemacht und sich zu Stützen der Mannschaft entwickelt. Es gab aber auch immer wieder Spiele, in denen einzelne Spieler herausragende Leistung zeigten, selbst Spieler, die über die Saison hinweg nicht viel Einsatzzeiten hatten. Ein Sonderlob erhält an dieser Stelle Stefan Parr, der am letzten Spieltag eine überragende Saison durch eine gekonnte 1gg1 Aktion krönte und mit Stolz auf seine wohl beste Spielzeit zurückblicken darf.
Ganz besonders Stolz kann der Verein doch darüber sein, dass bis auf Sandro nur TVG-Eigengewächse in der Mannschaft spielen. Kann man so auch in den kommenden Jahren auf diesem Niveau weitermachen oder muss der TVG auch verstärkt auswärtige Spieler holen? Gibt es da ein Konzept im Verein?
Ich habe ja bereits erwähnt, dass wir uns über die ein oder andere Verstärkung freuen würden. Ein spezielles Konzept gibt es dabei nicht. Wir bauen stets auf eigene Nachwuchskräfte und integrieren diese frühzeitig in den Trainingsbetrieb der aktiven Herrenmannschaften. So werden wir auch zur kommenden Spielzeit drei Spieler des Jg. 97 in den Kader der 1. Mannschaft aufnehmen und ich kann mir auch vorstellen, sie ein paar Minuten spielen zu lassen. Mit Alexander Hain und Danny Küppers haben wir ja auch zwei Spieler, die erst im Herrenbereich nach Glattbach gekommen sind. Ich unterscheide daher nicht nach einheimischen oder auswärtigen Spielern! Bedingung ist nur, dass sie sich integrieren und die notwendige Trainingsbereitschaft zeigen. Dann sind mir auswärtige Spieler lieber als "Glattbacher", die diese Bedingung nicht erfüllen.
Wie wird der TVG eigentlich bei den Gegnern wahrgenommen? Was erzählen denn die Trainerkollegen so?
Wir haben uns ganz klar mit der Zeit Respekt verschafft. Zunächst wurden wir sicher unterschätzt. Dafür gibt es auch nachvollziehbare Gründe. Erstens schaffte es in den letzten Jahren kein Aufsteiger unseres Bezirks die Klasse zu halten, unter anderem wir im Jahr 2010. Zweitens haben wir mit unserer Leistung zu Beginn der Runde auch allen Erwartungen entsprochen. Im Laufe der Saison haben wir uns Stück für Stück mehr Beachtung erarbeitet. Ein großes Plus in der öffentlichen Wahrnehmung waren dabei unsere treuen Fans, die uns gerade in den Auswärtsspielen in Büttelborn und Bonsweiher sensationell unterstützt haben.
Neben dem Sportlichen ist auch das Umfeld immer sehr entscheidend. Hast du hier in Zukunft auch spezielle Vorstellungen, was Zuschauer, Präsentation in der Öffentlichkeit etc. betrifft? Wie muss man sich hier weiterentwickeln? Oder konzentrierst du dich nur aufs Sportliche und lässt das andere machen?
Mein Fokus liegt schon sehr auf dem sportlichen Bereich, aber ich habe natürlich auch Interesse an der öffentlichen Wahrnehmung des Vereins. Sehr positiv zu erwähnen ist die Resonanz der Sponsoren, die uns seit geraumer Zeit beachtlich unterstützen. Mit dieser Hilfe sind wir in der Lage, zur kommenden Saison alle drei aktiven Mannschaften (Herren 1+2 und das neue Damenteam), sowie die zwei Perspektivmannschaften der männlichen und weiblichen A-Jugend einheitlich auszustatten. Auch dank der Einführung des Club100 haben wir kostspielige Langhanteln und Gewichte angeschafft. Damit können wir alle Spieler und Spielerinnen optimal auf die Belastung unserer Sportart vorbereiten und in ihrer individuellen Ausbildung fördern. Die rege Verwendung zeigt, dass wir hier den richtigen Weg eingeschlagen haben und uns sportlich nahe am Optimum unserer Möglichkeiten bewegen. Lediglich das leidige Thema Sporthalle könnte unsere Trainingsbedingungen noch auf eine höhere Ebene bringen. Aber nochmal zurück zum Kern der Frage, ich denke, wir haben abseits der sportlichen Angelegenheit ein großes Potential. Wir bewegen auch hier einiges und werden in der neuen Spielzeit auch neue Sachen realisieren, aber schlussendlich fehlen uns Akteure, die sich ausschließlich mit diesem Bereich beschäftigen. Wir sind daher für jede Personen dankbar, die sich in diesem Tätigkeitsfeld für den TVG engagieren möchten.
Zum Schluss: Gibt es noch irgendeine Frage, die du gerne mal gefragt worden wärst oder irgendeine Botschaft, die du noch loswerden möchtest?
Wenn du mich so fragst, dann sollte ich an dieser Stelle möglicherweise die aus meiner Sicht fehlende Wertschätzung, außerhalb der TVG-Familie, zu der ich neben den präsenten Vereinsmitgliedern auch die treue Fangemeinschaft zähle, ansprechen. Ein Klick auf den „Gefällt mir“- Button bei Facebook ist mir persönlich zu wenig. In meiner vergleichsweise kurzen Zeit in einem auswärtigen Verein, habe ich von Seiten der Gemeinde mehr Zuspruch und Anerkennung erfahren als in meinem Heimatort. Das betrifft weniger meine Person, sondern die Spieler, die hessenweit in einer bemerkenswerten Art Kampf, Teamgeist und Leidenschaft verkörpern und dadurch Glattbach sehr positiv vertreten. Dass unser letztjähriger Aufstieg in dem Jahresrückblick der Gemeinde nicht einmal in einem Nebensatz erwähnt wird, verdeutlicht den Stellenwert, den Sport in Glattbach genießt. Trotz meines begrenzten und wahrscheinlich auch naiven Blickes über die Geschehnisse in der Gemeinde, stelle ich fest, dass 2013 ein sehr ereignisreiches Jahr gewesen sein muss, wenn dieser große sportliche Erfolg keine Beachtung findet! Jedoch möchte ich diese Frage abschließend positiv beantworten und mich für die tolle Unterstützung und Begeisterung, die die Mannschaft während der gesamten Saison erfahren hat, bedanken. Nur durch eine motivierende Atmosphäre sind schwierige und ausgeglichene Begegnungen, wie zuletzt gegen den Meister Griesheim, erfolgreich zu bewältigen. Daher ist der Klassenerhalt auch ein Verdienst der treuen TVG Fans! Danke!
Vielen Dank, Markus!
Dir auch Volker, für deine über Jahre großartige Berichterstattung, die in dieser Saison durch diese Interviewfragen ergänzt wurde. Es hat mir Woche für Woche Freude bereitet, dir Rede und Antwort zu stehen!